Mission Impossible? Meine Wohnungssuche in Tübingen

Wendy
von Wendy
10 Minuten Lesezeit

Der erste Kontakt mit dem Tübinger Wohnungsmarkt. Früher war auch nicht alles besser.


Da stand ich nun auf dem Kopfsteinpflaster der Tübinger Innenstadt, umringt von herrschaftlichen, alten Fachwerkhäusern. Wohin das Auge blickte, vermeintliche Traumwohnungen für meinen Start in das Kleinstadtleben. In der Tasche einen frisch unterschriebenen Arbeitsvertrag der Universität. Eine grundsolide Anstellung mit mittlerem Einkommen, ausreichend das eigene Leben zu finanzieren und auch mal eine Woche länger Urlaub zu machen. Was noch fehlte: Die eigene Wohnung, um entspannt in den neuen Job zu starten. Weg vom reduzierten Dasein als Student hin zu einer Wohnsituation, wie ich sie aus meiner Kindheit kannte – mit Platz, Komfort und zusätzlich dem Schick der Stadt. Mit einem gerichtetem Bad, einer voll ausgestatteten Küche und durchgängigen Bodenbelägen.

Das war 2012 und meine damalige Suche dauerte 2 Monate und endete schließlich in einer Wohngemeinschaft. Schon damals musste ich ernüchtert feststellen: Wohnen in Tübingen ist oftmals nicht so herrschaftlich, wie die wunderschönen Häuser der Tübinger Innenstadt von Außen vermuten lassen. Und ja, Tübingen war bereits damals ein schwieriger Wohnungsmarkt.


Eigentlich inakzeptable Wohnungsangebote stapelten sich. In diese Wohnung wären die Besitzer selbst niemals freiwillig eingezogen: Wohnungen mit alten Gasöfen, Holzöfen oder gar keiner Heizung, fehlende oder feuchte Keller, fünf verschiedene Bodenbeläge in ein und derselben Wohnung, Sanitäranlagen aus den 70ern (oder auch älter), freiliegende Stromleitungen, Zimmer auf dem Hausflur…die Liste lässt sich eigentlich beliebig verlängern.

Es ist Frühjahr 2020, Corona das Tagesthema, der zweite Lockdown gerade beendet.


Inzwischen war ich ein weiteres Mal umgezogen, wohnte mit meinem Freund zusammen. Doch nichts hält ewig. Wir trennten uns. Ich musste wieder raus in die weite Welt des Tübinger Wohnungsgeschehens.

Sicherer Job + gutes Gehalt = Wohnung?


Diesmal sah ich mich in einer guten Position, um auf Wohnungssuche zu gehen. In Vollzeit, unbefristet beschäftigt mit nun fast 3000 EUR netto im Monat nahm ich Anlauf auf den Tübinger Wohnungsmarkt. Diesmal sollte es eine wirklich schöne Wohnung werden. Ich wusste, Wohnen in Tübingen ist teuer. Schön zu wohnen mitunter unverschämt teuer. Und die Suche kein Zuckerschlecken.

Ohne Bewerbungsmappe geht nichts


Freudig trug ich meine Bewerbungsunterlagen zusammen. Wer die Mappe nicht hat, gerät in Gefahr bereits bei der ersten Kontaktaufnahme aussortiert zu werden. Oftmals steht bereits in der Wohnungsanzeige, welche Unterlagen gewünscht sind: Schufa Auskunft, Einkommensnachweise, Arbeitsvertrag, Mietschuldenfreiheitsbescheinung vom aktuellen Vermieter und am besten einen Lebenslauf mit Hobbys, Lieblingsessen und Lebensgewohnheiten.


Hey, ich hatte alles. Auf dem Papier war ich DIE perfekte Mieterin. Und nun endlich mit einem Einkommen gesegnet, das ein Auskommen gewährte. Stolz war ich und hoffnungsfroh. Seht her! Ich kann mir jetzt endlich die 16 EUR+ pro m2 in guter Tübinger Lage leisten!

Hallo, ist da Jemand? Die ersten Bewerbungen blieben ungehört.


Ich wählte nur die Creme de la Creme der Wohnungen für meine Bewerbungen aus. Parkett bitte, ebenerdige Dusche, Küche mit Geschirrspüler, Südbalkon – das muss schon sein bei den Preisen. Die Ernüchterung folgte auf den Fuß. Nicht weil mir die Preise letztendlich doch zu hoch waren, die Vermieter unangemessene Forderungen stellten oder haushohe Abschlagsforderungen geltend gemacht wurden. Auf all diese Dinge war ich vorbereitet. Nein, es kam schlicht und ergreifend KEINE Rückmeldung. Null, nichts.

Die Anforderungen werden klammheimlich heruntergesetzt.


Auf 25 E-Mails erfolgte nicht eine Einladung zur Wohnungsbesichtigung – allerdings auch keine Absage.
Nach und nach weitete ich den Suchkreis aus. 1-Zimmer-Wohnungen waren per se nicht ausgeschlossen. Die Lage durfte auch außerhalb der Innenstadt sein und einen Autoabstellplatz benötigte ich nicht mehr so dringend. Der Konkurrenzdruck bei weniger attraktiven Wohnungen ist bekanntlich geringer und das Angebot allgemein größer.


So kam ich auf ca. fünf geschriebene Wohnungsbewerbungen pro Woche. Und endlich, endlich wurde ich eingeladen. Sogar in eine Wohnung, die auf dem Papier alles hatte, was ich begehrte.

Am Tag der Besichtigung machte ich mich freudig auf den Weg, kam viel zu früh an und war ziemlich aufgeregt.

Die Verwalterin begrüßte mich freundlich. Mir wurde das Expose überreicht. Alle wichtigen Daten inklusive Bilder waren enthalten. Das gibt es also doch noch. Als Mieter mit Respekt und serviceorientierung behandelt zu werden. Zusammen schauten wir uns erst die Garage, dann den Keller und zuletzt die Wohnung an.

Aha, so sieht also Mietwucher aus.


Ich erinnere mich noch genau, wie ich in der Wohnung stand. der Boden komplett weiß gefliest, eine winzig kleine Küche im Wohnzimmer, sehr kleine Zimmer, dafür ein großer, immer im Schatten liegender Balkon, ein Kellerraum der mit den Winterreifen meines Autos fast gefüllt gewesen wäre, kein Aufzug. Das ganze dann für läppische 1200 EUR warm. Der m2-Preis bewegte sich bei 19 EUR. Selbstverständlich war ein Abschlag über mehrere tausend Euro für die Möbel vorgesehen.

Als mir so greifbar bewusst wurde, was Wucher bedeutete, wollte ich dies dann doch nicht unterstützen und bedankte mich höflichst.

MieterPlus+ – der Boost für meine Wohnungssuche?


Wer verzweifelt ist, der ist bereit zu allem.

Kannte ich bis dahin die bezahlte Wohnungssuche nur mithilfe eines Maklers, so musste ich feststellen, auch Online-Portale wie Immobilienscout24 bieten inzwischen eine kostenpflichtige Premium-Vermittlung an.


Die Premium-Mitgliedschaft garantiert keinesfalls wirklich stattfindende Wohnungsbesichtigungen oder gar einen Vertragsabschluss. Sie ermöglicht erst einmal nur, sich auf Wohnungsanzeigen zu bewerben, die vorher verwehrt blieben, den Premiumanzeigen. Dadurch konkurriert man mit weniger Bewerbern.

Immobilienscout24 plus
Ab 60 EUR ist man dabei: Immobilienscout24 MieterPlus+


Für den Betrag von 60 EUR erhält man aktuell eine zweimonatige Premium-Mitgliedschaft. In dem Preis inbegriffen ist eine Schufa-Auskunft im Wert von 29 EUR und die Möglichkeit ein erweitertes Profil mit Mietzahlungsbestätigung, Identitätsnachweis, Zahlungsbewegungen auf dem eigenem Girokonto und sonstigen Dokumenten zu erstellen. Dazu gibt es Statistiken über die Konkurrenz. Wieviel verdienen die anderen Bewerber, sind sie in einem Angestelltenverhältnis, handelt es sich um Familien oder Single Haushalte und wie gut passe ich selbst auf die Wohnungsanzeige? Das alles wird mit hübschen Diagrammen dargestellt.

Manch einer würde sagen, der potentielle Mieter macht sich nackig. Nutzer des Systems sehen es als Zeitoptimierung. Wird der Markt enger, treibt die Phantasie Blüten und wird schließlich zur Realität.

Ob mir die Premium-Mitgliedschaft letzendlich eine Wohnung verschafft hat? Ganz klar nein. Ich habe nicht eine Wohnungsbesichtigung durch das kostenpflichtige Angebot vermittelt bekommen. Es gilt eben weiterhin: Auf einem engen Wohnungsmarkt erhalten nur die Top-Kandidaten eine Wohnung – erst recht, wenn sich die Bewerber quasi gläsern machen und über Profile eine maximale Vergleichbarkeit entsteht.

Glück muss man haben – so habe ich meine Wohnung in Tübingen gefunden

Die Wohnungssuche in Tübingen kann zermürbend sein. Nach vielen E-Mails und vielen enttäuschten Hoffnungen, wollte ich fast aufgeben. Aber manchmal braucht es einfach etwas Glück!

Meine Glücksfee war in einer Facebook-Gruppe unterwegs. Meinem Aufruf nach einer Wohnung folgte eine Antwort! Wer hätte es gedacht. Die Vermieterin meldete sich direkt bei mir. Ich war die einzige bei der Wohnungsbesichtigung. Zwei persönliche Treffen und einen Kaffee später hielt ich den Mietvertrag für eine echte Traumwohnung in der Hand! Teuer ist die Wohnung natürlich trotzdem, aber so ist das eben im kleinen Tübingen.

Damit hat meine Wohnungssuche fünf Monate gedauert. Für Tübingen ist dies gar nicht so lang. Sie war allerdings gespickt mit Enttäuschungen und dem bewusst werden, dass ich für die meisten Vermieter bereits auf dem Papier keine attraktive Mieterin bin.

Erzähle uns deine Geschichte! Würdest du gerne umziehen? Wie lange suchst du schon nach einer Wohnung? Findest du den Preis deiner Wohnung angemessen?

Einen Blick in Tübinger Wohnung kannst du übrigens in unserer Reihe „So wohnt Tübingen“ werfen. Viel Spaß dabei!


Wohnen in Tübingen – weitere Infos

Guter und aktueller Artikel zur Lage in Tübingen vom SWR

von Wendy
✍️ Redakteurin 📸 Fotografin 🎥 Videografin 🌐 Webdesign
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